Montag, 3. August 2009

Kitzelkäppchen

Es war einmal ein kleines Mädchen, welches mit seiner Mutter alleine am Rande eines großen Waldes lebte. Es trug den Namen Kitzelkäppchen und jeder der es kannte, wusste warum. Seit seiner Geburt konnte das Mädchen an nichts anderes denken, als daran, andere zu kitzeln. Selbst wenn es nur ein Pieks in die Seite eines Freundes war, so bereitete es Kitzelkäppchen große Freude. Immer wenn sie Zeit hatte und Lust dafür verspürte, ging sie nach draussen und suchte sich ein Kitzelopfer. Wenn sie keines fand, kam es auch schon mal vor, dass sie ein argloses Tier, etwa ein Kaninchen, einfing und es am Bauch kitzelte bis es quiekte. Ja, viele hielten Kitzelkäppchen für total gestört und auch die Mutter schämte sich für ihr Kind, wenn sie sich von empörten Müttern anhören musste, wie sehr Kitzelkäppchen mal wieder deren Kinder gekitzelt hatte. Immer öfters kam es nun vor, dass Kitzelkäppchen Hausarrest hatte. Dann saß sie alleine und ohne kitzeln in ihrem Zimmerchen, starrte an die Decke oder erträumte sich in der Phantasie einen kleinen Kitzelspaß. Eines Tages saß Kitzelkäppchen mal wieder mit Hausarrest daheim. Sie hatte den Enkel vom alten Großvater nebenan, den kleinen Peter, fast zehn Minuten lang am Bauch gekitzelt, bis dieser anfing zu weinen. Da hörte sie, wie ihre Mutter in der Stube telefonierte. Sie lief dabei über den knarzenden Stubenboden hin und her, diskutierte und ihre Stimme war laut und aufgeregt. Irgendwann knallte sie plötzlich den Telefonhörer in die Station zurück und sties einen leisen, aber doch noch hörbaren Fluch aus. Vorsichtig öffnete Kitzelkäppchen ihre Zimmertür.
"Was ist denn los, Mutter?", fragte es.
"Ach!", seufzte die Mutter, fertig mit den Nerven.
"Der Oma geht es mal wieder nicht gut und mal wieder hat sie auch vergessen, ihre Tabletten aus der Apotheke zu holen und nun möchte sie, dass ich losgehe und sie ihr besorge! Ich habe aber weitaus besseres zutun, als mich um Oma zu kümmern!"
Kitzelkäppchens Augen leuchteten erfreut und sie stieg die kleine Treppe zur Stube hinab.
"Mutter, ich könnte doch losgehen und Oma die Tabletten bringen!", strahlte sie aufgeregt. Mutter schaute ihr Kitzelkäppchen zweifelnd an.
"Nein, Kind, du hast Hausarrest und du weißt auch genau warum!", sagte sie schließlich ernst.
"Ach Mutter... es tut mir doch Leid! ... Lass es mich beweisen, dass ich auch ohne kitzeln klarkomme!", bot Kitzelkäppchen eilig an. Mutter überlegte eine Weile.
"Nun, ... vielleicht hast du Recht! Gut! Geh und besorge Oma die Tabletten! Und wenn du es schaffst, deinen Auftrag zu erfüllen ohne unterwegs wieder jemanden nieder zu kitzeln, dann soll dein Hausarrest aufgehoben sein!", willigte Mutter schließlich ein.
"Ohh, danke Mama, vielen vielen Dank!", freute sich Kitzelkäppchen. Voller Vorfreude und total aus dem Häuschen geraten flitzte Kitzelkäppchen in ihr Zimmer, zog sich Schuhe und Jacke an und flitzte in windeseile wieder in die Stube, wo Mutter sie bereits mit einer Tasche und etwas Geld erwartete.
"Hier mein Kind! Mit diesem Geld kaufst du Oma die Tabletten und die Tabletten tust du in diese Tasche, damit du sie nicht verlierst!"
Kitzelkäppchen nickte eifrig, steckte das Geld ein und griff die Tasche. Doch bevor sie das Haus verlies, hielt Mutter sie noch einmal zurück. Sie schaute ihre Tochter ernst an.
"Denk an dein Versprechen! Wehe es kommt mir zu Ohren, du hast wieder irgendwen gekitzelt! Und beeile dich, du weißt, dass der Wald gefährlich ist!"
Kitzelkäppchen nickte und lächelte brav.
"Ja Mutter, ich werde mich beeilen und nein, ich werde niemanden kitzeln, ich versprechs!"
Die Mutter wollte ihrem Kind wieder vertrauen schenken, also lies sie es gehen. Sogleich machte sich Kitzelkäppchen auf den Weg. Es hopste fröhlich singend den Weg entlang, zur Gartentür hinaus und dann in den großen dunklen Wald hinein. Es war ein schöner, sonniger Tag, kaum ein Wölkchen am Himmel und die Vögelchen zwitschten, dass es einem das Herz erquickte. Kitzelkäppchen war noch nicht all zu lange unterwegs, da begegnete ihr Harri, der Klassenschreck. In den Pausen und auf dem Schulhof war er der schlimmste Rowdy. Immer hatte er mit seinen fiesen Kumpels Spaß daran, anderen Kindern Angst einzujagen und sich darüber kaputtlachten. Doch diesmal war Harri alleine unterwegs. Kitzelkäppchen grinste und nährte sich ihm. Harri hatte Kitzelkäppchen auch sogleich entdeckt und wollte einen großen Bogen um sie laufen. Natürlich war auch ihm klar, warum sie so einen seltsamen Namen trug und auch er wusste, dass er alleine nur halb so stark war wie auf dem Schulhof. Kitzelkäppchen wollte diese Chance nutzen, dem bösen Harri, der auch ihr schon einige Male fürchterliche Angst gemacht hatte, die Seele aus dem Leib zu kitzeln... da fiel ihr das Versprechen ein, welches sie ihrer Mutter gegeben hatte. Sie lies Harri also in Ruhe und als dieser merkte, dass Kitzelkäppchen ihn nicht überfallen wollte, rannte er so schnell es ging davon.
"Diesmal hast du Glück!", rief Kitzelkäppchen ihm nach.
"Eigentlich zu ärgerlich, dieses blöde Versprechen!", murmelte sie noch und setzte ihren Weg fort. Was sie nicht bemerkt hatte, war, dass sie schon eine ganze Weile beobachtet wurde. Der Jäger, der mal wieder seinen Streifzug durch den Wald gemacht hatte um nach Recht und Ordnung zu schauen, hatte Kitzelkäppchen fröhlich singend aus dem Haus hopsen und in den Wald gehen sehen und war ihr seither heimlich gefolgt. Es passt ihm wunderbar in den Kram, dass das Mädchen alleine im Wald unterwegs war. Sein Sohn Walther war schon einige Male in Kitzelkäppchens Finger geraten und schlimm durchgekitzelt worden. Walther war schmächtig und schüchtern, zu klein für sein Alter und er krisch wie ein Mädchen wenn man ihn kitzelte. Für Kitzelkäppchen war er immer ein hervorragendes Opfer. Aber jetzt, so dachte der Jäger, war es Zeit den Spies einmal umzudrehen. Sollte dieses ungezögene Gör doch mal am eigenen Leibe erfahren was es hieß, gekitzelt zu werden. Also folgte er ihr heimlich weiter, bis zu einer Wegkreuzung. Dort blieb Kitzelkäppchen nämlich stehen. Der Wegweiser, dessen Pfeile in die vier Himmelsrichtungen zeigten und die Ortsrichtungen bekanntgaben, war verdreht worden. Grübelnd stand Kitzelkäppchen davor und wusste nicht mehr genau in welche Richtung Omas Haus lag. Der Jäger trat hinter dem Baum vor, hinter dem er sich versteckt hatte. Er schlich sich von hinten an das Kitzelkäppchen heran... doch unglücklicherweise trat er auf einen Zweig und als Kitzelkäppchen das Knacken des Zweiges hörte, drehte sie sich erschrocken um.
"Jäger!", sagte sie erleichtert und verschnaufte, um ihr klopfendes Herz wieder zu beruhigen.
"Kitzelkäppchen!", entgegnete der Jäger schnell und suchte im Kopf nach einer Ausrede für sein plötzliches Dasein.
"Was machst du denn hier?", fragte auch schon Kitzelkäppchen.
"Ich ... ehh... nun...!", stotterte der Jäger und schnell kam ihm eine Idee.
"Ich bin gekommen um den Wegweiser wieder richtig hinzustellen! Wie ich sehe, wurde er verdreht!"
Kitzelkäppchen nickte.
"Ja, irgendjemand hat ihn verdreht! Nun weiß ich den Weg nicht mehr!", seufzte es.
"Welchen Weg? Wo möchtest du denn hin?", fragte der Jäger, freundlich verstellt.
"Zur Apotheke erst und dann zu meiner Oma!", sagte Kitzelkäppchen freundlich. Sie ahnte ja nicht die bösen Absichten des Jägers. Dieser widerrum gabs sich alle Mühe, so freundlich wie möglich zu sein.
"Ja, gut, dass wir uns begegnet sind, mein Kind! Zu deiner Oma geht es da entlang! Die Apotheke liegt genau auf dem Weg, du kannst beides nicht verfehlen!", lächelte der Jäger und zeigte den linken Weg entlang. Kitzelkäppchen schaute in die linke Richtung und grübelte. War sie wirklich immer schon nach links gelaufen? Das kam ihr etwas spanisch vor... Aber sie hatte ja den Jäger, welcher den Wald wie seine Westentasche kennt, gefragt, der würde schon wissen, welcher Weg der Richtige war. Kitzelkäppchen bedankte sich bei dem vermeindlich freundlichen Jäger, verabschiedete sich und hopste fröhlich den linken Weg entlang. Der Jäger schaute ihr grinsend hinterher. Natürlich war dies der falsche Weg. Gerade aus wäre richtig gewesen. Der linke Weg führte geradewegs zu seiner Waldhütte. Das passte alles wunderbar zusammen. Schnell lief der Jäger einen unbekannten Schleichweg dem armen Kitzelkäppchen hinterher. Er wollte es überraschen, in seine Hütte bringen, irgendwo festbinden und ihr sämtliche Kitzelattacken in Walthers Namen heimzahlen. Er freute sich schon, ihr hilfloses Lachen und Gackern zu hören. Das würde ein Fest werden! Kitzelkäppchen indes lief weiter den linken Weg entlang. Der Wald wurde aber zu ihrer Verwunderung immer dichter und dunkler. In ihrer Erinnerung lag die Apotheke aber an einer hellen, freundlichen Lichtung. Sie verlangsamte ihren Gang und blieb irgendwann stehen. Sie schaute sich um und langsam bekam sie Angst. Weit und breit niemand zu sehen und zu hören, es wurde immer dunkler um sie herum und immer kälter. Nein, dies war nicht der richtige Weg! Der Jäger muss sich getäuscht haben! Kitzelkäppchen wurde Angst und Bange. Zitternd stand sie da, bis sie sich ein Herz fasste und den Weg wieder zurück lief. Der Jäger, der ihr den Schleichtweg entlang gefolgt war, dachte, er könne seinen Augen nicht trauen! Da lief doch das rotzfreche Kitzelkäppchen einfach wieder zurück! Er musste aufpassen, dass er nicht laut losfluchte vor Ärger! Leise schlich er ihr wieder in die andere Richtung hinterher. Bald war Kitzelkäppchen wieder an der Kreuzung angekommen und nun erinnerte sie sich. Sie erkannte den alten, schiefen Baum wieder, dessen Wipfel über dem Weg baumelte. An diesem Baum war sie immer vorbeigelaufen, wenn sie zu Oma wollte. Oh, dieser Jäger!, dachte Kitzelkäppchen. Hatte er sie einfach falsch geschickt! Schnell lief Kitzelkäppchen nun den richtigen Weg entlang. Sie versprach sich, sich nicht mehr aufzuhalten und mit niemandem mehr zu reden. Nachdem sie eine Weile gelaufen war, kam sie an die Apotheke. Welch ein Glück! Schnell ging sie hinein. Frau Meier, eine kleine alte, buckelige Frau, stand hinter der Theke. Die Alte lächelte, als Kitzelkäppchen herein kam.
"Ja hallo mein Kind! Was möchtest du denn?"
Kitzelkäppchen erklärte Frau Meier welche Tabletten sie für ihre Oma brauchte und Frau Meier suchte sie heraus und gab sie in Kitzelkäppchens mitgebrachte Tasche. Auch eine Gratis-Packung Vitamin-Brausepulver für eine leckere Limonade steckte sie dazu.
"Damit deine Oma immer gesund bleibt!", erklärte Frau Meier.
Kitzelkäppchen nickte brav, bezahlte und verlies, nachdem sie sich höflich verabschiedet hatte, wieder die Apotheke. Mit schnellen Schritten lief sie weiter. Sie wollte so eilig wie möglich bei Oma ankommen. Der Jäger war ihr natürlich bis zur Apotheke heimlich gefolgt. Moment, wie war das?, dachte er sich. Die Kleine will zu ihrer Oma? Hehe, dann komm ich ihr doch einfach dort zuvor!, grinste er in sich hinein und flitzte so schnell er konnte über die unbekannten Schleichwege durch den Wald, hin zu Omas Haus. Ganz außer Atem kam er an. Von Kitzelkäppchen war weit und breit noch nichts zu sehen. Oma war eine gute Freundin von ihm, sie würde keinen Verdacht schöpfen wenn er einfach hereim käme. Er würde die alte Schachtel knebeln und fesseln und in die Abstellkammer sperren. Dann sich anstatt der Oma ins Bett legen und auf Kitzelkäppchen warten! Ja, das war ein guter Plan! Schnell klopfte der Jäger an die Tür.
"Ja?!", kam eine Stimme von drinnen.
"Hallo Oma Käppchen, ich bins Rolf Jäger!", rief der Jäger freundlich.
Es dauerte ein Weilchen, da wurde die Tür geöffnet und die Oma bat den Jäger freundlich herein.
"Na welch eine Freude, dass du mich besuchst! Ich hatte eigentlich mit Kitzelkäppchen gerechnet, aber das ist schon okay! Ich habe auch genug Kekse für zwei Gäste da!", lächelte Oma und bot dem Jäger ein paar Nusskekse an.
Doch der Jäger lehnte abwinkend ab.
"Was?! Erst unangemeldet hier herein schneien und dann auch noch meine Nusskekse verschmähen?", entrüstete sich die Oma gekränkt. Der Jäger aber war beschäftigt, immer wieder durch das kleine Fenster zu schauen, ob Kitzelkäppchen sich nährte.
"Was gibt es denn da zu glotzen?", fragte Oma genervt.
"Nichts!", drehte sich der Jäger plötzlich ruckartig um. Mit schnellen Handgriffen zog er den Ledergürtel aus seiner Hose, die glücklicherweise auch ohne Gürtel an der Hüfte hielt. Dann packte er Oma, die sich erschrocken und schimpfend wehrte und fesselte ihr die Hände mit dem Gürtel hinter dem Rücken zusammen. Dann steckte er ihr vier Nusskekse als Knebel in den Mund und schob sie in die Abstellkammer. Schnell warf er die Tür hinter der armen Oma zu und schob den Riegel davor. Teil eins des Planes hatte ja wunderbar geklappt! Nun ging der Jäger schnell zu Omas Bett, legte sich hinein und deckte sich bis zur Nasenspitze zu. Kitzelkäppchen indes war auch endlich am Haus der Oma angekommen. Doch wie wunderte sie sich, als sie die Tür zu Omas Haus offen vorfand. Vorsichtig schlich sie hinein, die Tasche mit den Tabletten fest in den Händen haltend.
"Oma?", rief sie zaghaft.
"Komm rein!", antwortete der Jäger mit verstellter Stimme.
Kitzelkäppchen schlich sich ans Bett, in dem die vermeindliche Oma lag.
"Oma ...!", sagte Kitzelkäppchen etwas verwirrt. "Geht es dir so schlecht, dass du am hellerlichten Tag im Bett liegen musst?!"
"Ja!", antwortete der Jäger und hustete künstlich. "Du weißt doch, Oma ist ständig krank, darum brauch ich ja auch so dringend die Tabletten!"
Kitzelkäppchen wurde skeptisch.
"Aber das sind doch die Tabletten gegen deine Vergesslichkeit!"
"Ehh...!", stotterte der Jäger. "Das... ehh... hatte ich vergessen! Gut, dass du endlich da bist!"
Kitzelkäppchen aber wollte dem Frieden nicht trauen.
"Oma ... wieso hast du dich so sehr zugedeckt? Es ist doch sommerlich warm draussen!"
Der Jäger grübelte kurz.
"Eh.... naja.... ich habe .... heute früh einen schrecklichen Pickel auf meiner Nase entdeckt! Ich schäme mich sehr, ich möchte nicht, dass du mich so siehst!", sagte er schließlich schnell.
"Und Oma ... wieso hast du plötzlich so eine andere Stimme? Es klingt, als hättest du eine Blechdose verschluckt!", wunderte sich Kitzelkäppchen weiter.
"Aber nein mein Kind!", sagte der Jäger schnell. "Das kommt vom vielen Rauchen!"
"Aber du rauchst doch gar nicht!", wunderte sich Kitzelkäppchen.
"Aber jetzt rauche ich!", schimpfte der Jäger genervt.
"Aber Oma ... wieso bist du so gereizt?", fragte Kitzelkäppchen erschrocken.
"Weil du mich nervst!", platzte der Jäger heraus.
Entsetzt sprang Kitzelkäppchen auf.
"Und Oma, wieso bist du eigentlich plötzlich so groß und dick?", fragte sie und merkte, dass wirklich etwas nicht stimmte. Und richtig, plötzlich riss die angebliche Oma die Decke weg und auf dem Bett lag .. der Jäger. Kitzelkäppchen schrie entsetzt los und wollte ausreisen, doch zu spät.
"Hab ich dich endlich, du Satansbraten!", schimpfte der Jäger und bevor Kitzelkäppchen ausreisen konnte, schnappte er sie und zog sie zu sich aufs Bett. Kaum war sie purzelnder Weise dort gelandet, hielt er ihre schwachen Arme fest und begann sie kräftig zu kitzeln. Kitzelkäppchen prustete lachend und schreiend los und zappelte hilflos auf dem Bett herum.
"Und viele Grüße von Walther!", sagte der Jäger böse, während er sein fieses Kitzelspiel fortsetzte.
Das arme Kitzelkäppchen. Nun war sie das Opfer. Und der Jäger zeigte auch wirklich kein Erbarmen. Den Bauch, die Seiten, die Rippen rauf und runter, überall kitzelte er das wehrlose Kitzelkäppchen, welches sich lauthals kaputt lachte. Während drinnen der Jäger dem armen Kitzelkäppchen die Seele aus dem Leibe kitzelte, kam draussen der graue Wolf aus dem Wald getrottet. Er war seit Tagen schon auf der Jagt nach etwas zu Fressen gewesen und hatte gehofft, bei der alten Oma wenigstens ein paar Reste Wurst oder Brot abzubekommen. Doch als er ein lauthalses liebliches Lachen hörte, welches unverkennbar aus Omas Haus kam, schlich er vorsichtig näher und schaute durch das Fenster ins Haus. Er sah das Kitzelkäppchen auf dem Bett herumstrampeln, während dieser Jäger es fürchterlich kitzelte. Das konnte der Wolf nicht mit ansehen, schnell flitzte er um die Kurve, platzte in die Tür und stand Sekunden später in der Stube neben dem Bett.
"Ja, was ist denn hier los?", knurrte er böse.
Als der Jäger den Wolf sah, sprang er vor Angst vom Bett und versteckte sich in einer Ecke.
"Oh nein! Bitte friss uns nicht!", bettelte er wimmernd.
Der Wolf leckte sich die Reißzähne und schaute den Jäger knurrend an.
"Keine Sorge, Jäger! Ich fresse keine Menschen! Aber warum um alles in der Welt, kitzelst du dieses arme Kind so schrecklich?"
Kitzelkäppchen war ebenfalls vor Angst in die letzte Ecke des Bettes gekrabbelt.
"Warum?? Weil sie das auch meinen Sohn Walther angetan hat, genauso noch vielen anderen armen Kindern!", schimpfte der Jäger, der sich im Recht empfand. Der Wolf sah zu Kitzelkäppchen, welches sofort seinen Unschuldsblick aufsetzte.
"Stimmt das?", fragte er grimmig.
Kitzelkäppchen war so eingeschüchtert, weil der Wolf vor dem Bett stand und nickte darum zaghaft.
"Ja ... das stimmt! Ich kitzel gerne andere! Ich kanns nicht lassen! Ich mags eben wenn andere lachen!"
Der Wolf erkannte Kitzelkäppchens Reue und Einsicht und schaute sofort freundlicher.
"Ach Kind! Dann erzähl doch lieber Witze oder mach Grimassen! Aber doch nicht kitzeln! Gut, ... ab und zu mal kitzeln oder pieksen, da hat ja niemand was dagegen, aber richtig kitzeln... das kann schon sehr gemein sein, vorallem wenn man wehrlos ist! Das hast du ja eben selber erfahren!"
Wieder nickte Kitzelkäppchen zaghaft.
"Ja ... es war furchtbar! Ich wusste gar nicht, dass es so furchtbar sein kann!"
"Siehst du!", nickte der Wolf.
Kitzelkäppchen lies den Kopf hängen.
"Ihr habt ja Recht! Es ist gemein von mir, alle Schwächeren immer so sehr zu kitzeln! Ich werde das ab heute nie mehr machen, ich versprechs!", sagte es kleinlaut.
Der Wolf war zufrieden und auch der Jäger kam besänftigt wieder aus der Ecke hervor.
"Gut, Kitzelkäppchen! Es war nötig, dir mal so eine kleine Abreibung zu verpassen, damit du mal siehst wie das ist! Kitzeln ist zwar lustig und auch erlaubt aber man sollte sich keinen Spaß daraus machen, andere damit zu quälen!"
Kitzelkäppchen sah dies nun auch ein. Sie wollte nie mehr andere aus Spaß so sehr kitzeln. Sie dankte dem Wolf und dem Jäger von ganzem Herzen. Doch plötzlich drang ein dumpfes Schimpfen aus der Abstellkammer. Der Jäger erinnerte sich an die Oma! Diese war doch immer noch in der Abstellkammer! Schnell öffnete er die Tür. In der Kammer stand eine böse schauende Oma mit Kekskrümeln am Mund und hinter dem Rücken zusammengefesselten Händen.
"Entschuldigen Sie bitte vielmals meine Liebe!", sagte der Jäger kleinlaut und nahm Oma schnell die Gürtelfessel ab. Den Keksknebel musste er nicht mehr entfernen, den hatte Oma bereits aufgegessen.
"Was bitte sollte denn diese Aktion?", fragte Oma zornig.
"Ach, das war ein ganz ganz dummer Fehler meinerseits!", sagte der Jäger kleinlaut.
Der Wolf brauchte nicht lange, um eins und eins zusammen zu zählen.
"Hast du etwa diese arme, alte Dame in die Abstellkammer gestellt um ein leichtes Spiel mit Kitzelkäppchen zu haben?", fragte er grimmig.
"Nunja.... naja....!", stammelte der Jäger nervös herum.
"Es tut mir Leid, ja! Es war gemein vor mir, mich im Namen meines Sohnes an Kitzelkäppchen zu rächen!", entschuldigte er sich schließlich. Die ganze Sache war nun geklärt, man umarmte sich und entschuldigte sich. Der Jäger versprach, nie mehr solch eine gemeine Idee zu haben, Kitzelkäppchen versprach abermals, niemanden mehr furchtbar zu kitzeln. Der Wolf freute sich, mal wieder eine gute Tat vollbracht zu haben und Oma lud als Wiedergutmachung alle zum Nusskekseessen und Kakautrinken ein. Von da an hatte Kitzelkäppchen wirklich nie mehr Schwächere Kinder überfallen und durchgekitzelt. Nur Peter bekam ab und zu noch mal einen Pieks in die Seite, weil er so herrlich quietschen konnte. Mutter war so stolz auf ihr Kitzelkäppchen und hob ihren Hausarrest auf. Nun passte aber auch der Name "Kitzelkäppchen" nicht mehr. Zum Geburtstag bekam Kitzelkäppchen deshalb von ihrer Oma ein rotes Mützchen geschenkt und alle nannten Kitzelkäppchen seither nur noch Rotkäppchen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!